Fade Texte / Bland Texts

Day 1-20

Und der HERR sprach zu Noah: Gehe in den Kasten, du und dein ganzes Haus; denn ich habe dich gerecht ersehen vor mir zu dieser Zeit. (…) Denn von nun an über sieben Tage will ich regnen lassen auf Erden vierzig Tage und vierzig Nächte und vertilgen von dem Erdboden alles, was Wesen hat, was ich gemacht habe.  Und Noah tat alles, was ihm der HERR gebot.

1 Mose 7, 1-5

John Donne ist eingeschlafen. Alles schläft.

Gemächer, Betten, Wände, Bilder, schlafen,

Tisch, Teppich, Schlösser schlafen, Tür, Büfett,

Gardinen, Riegel, Kerzen, Mantelhaken.

Nichts, das nicht schliefe: Schüssel, Flasche, Uhr,

Brot, Messer, Porzellan, kristallene Schalen,

Glas, Nachtlicht, Linnen, Wäscheschrank, der Flur,

die Treppenstufen, Türen. Nacht in allem.

Aus: Joseph Brodsky, Große Elegie an John Donne

(Aus dem Russischen von Alexander Kaempfe und Heinrich Ost)

ein Wunder: für einen Moment eine

Überraschung, für einen Moment

Aufatmen, für einen Moment

eine Pause in dieser Straße,

Aus: Rolf Dieter Brinkmann,
Einen jener klassischen

... die Einsamkeit wirkte belebend auf seine Nerven ...

Aus: Joris-Karl Huysmans, Gegen den Strich


Dann habe ich oft gesagt, alles Unglück der Menschen kommt davon her, daß sie nicht verstehn sich ruhig in einer Stube zu halten.

Aus: Blaise Pascal, Gedanken über die Religion. Siebter Abschnitt: Elend des Menschen

In einem hochgewölbten, engen gotischen Zimmer / FAUST unruhig auf einem Sessel am Pulte

FAUST: Habe nun, ach!

Aus: Johann Wolfgang Goethe, Faust I

Dort aber in der Mietkammer, war jetzt während der Studienzeit eine andere neuartige, im Elternhaus unbekannte Müdigkeit zu befürchten: die Müdigkeit in einem Zimmer, am Rand der Stadt, allein; die Alleinmüdigkeit.

Aus: Peter Handke, Versuch über die Müdigkeit


Wenn man sich am Abend endgültig entschlossen zu haben scheint, zu Hause zu bleiben, den Hausrock angezogen hat, nach dem Nachtmahl beim beleuchteten Tische sitzt und jene Arbeit oder jenes Spiel vorgenommen hat, nach dessen Beendigung man gewohnheitsgemäß schlafen geht, wenn draußen ein unfreundliches Wetter ist, welches das Zuhausebleiben selbstverständlich macht, wenn man jetzt auch schon so lange bei Tisch stillgehalten hat, daß das Weggehen allgemeines Erstaunen hervorrufen müßte, wenn nun auch schon das Treppenhaus dunkel und das Haustor gesperrt ist, und wenn man nun trotz alledem in einem plötzlichen Unbehagen aufsteht, den Rock wechselt, sofort straßenmäßig angezogen erscheint, weggehen zu müssen erklärt, es nach kurzem Abschied auch tut, je nach der Schnelligkeit, mit der man die Wohnungstür zuschlägt, mehr oder weniger Ärger zu hinterlassen glaubt, wenn man sich auf der Gasse wiederfindet, mit Gliedern, die diese schon unerwartete Freiheit, die man ihnen verschafft hat, mit besonderer Beweglichkeit beantworten (...).

Aus: Franz Kafka, Der plötzliche Spaziergang

abgestanden, dünn, flau, gehaltlos, geschmacklos, kraftlos, ohne Aroma/Geschmack/Würze, schal, schlecht gewürzt, ungesalzen, ungewürzt, wässrig

(salopp) wie eingeschlafene Füße (meist abwertend) schlabberig

(umgangssprachlich abwertend) labberig

(landschaftlich) laff, lasch, mau, plörrig, 

abwechslungslos, blass, einförmig, einschläfernd, eintönig, ermüdend, farblos, gehaltlos, geisttötend, gleich-förmig, grau, ideenlos, langweilig,

monoton, nichtssagend, öde, ohne [jeden] Reiz, reizlos, schal, stumpfsinnig, trocken, trostlos, uninteressant (bildungssprachlich) ennuyant, trist

(salopp emotional verstärkend) stinklangweilig

(bildungssprachlich abwertend) stupide, uniform

(landschaftlich) griesegrau

 (veraltet) fatigant


Zwei Dinge erfüllen das Gemüt mit immer neuer und zunehmender Bewunderung und Ehrfurcht, je öfter und anhaltender sich das Nachdenken damit beschäftigt: Der bestirnte Himmel über mir, und das moralische Gesetz in mir.

Aus: Immanuel Kant, Kritik der praktischen Vernunft

April is the cruellest month, breeding

Lilacs out of the dead land, mixing

Memory and desire, stirring

Dull roots with spring rain.

Winter kept us warm, covering

Earth in forgetful snow, feeding

A little life with dried tubers.

Summer surprised us, coming over the Starnbergersee

With a shower of rain; we stopped in the colonnade,

And went on in sunlight, into the Hofgarten,

And drank coffee, and talked for an hour.

Bin gar keine Russin, stamm’ aus Litauen, echt deutsch.

And when we were children, staying at the arch-duke’s,

My cousin’s, he took me out on a sled,

And I was frightened. He said, Marie,

Marie, hold on tight. And down we went.

In the mountains, there you feel free.

I read, much of the night, and go south in the winter.

Aus: T.S. Eliot, The Waste Land

Death be not proud, though some have called thee

Mighty and dreadfull, for, thou art not soe,

For, those, whom thou think'st, thou dost overthrow,

Die not, poore death, nor yet canst thou kill mee.

From rest and sleepe, which but thy pictures bee,

Much pleasure, then from thee, much more must flow,

And soonest our best men with thee doe goe,

Rest of their bones, and souls deliverie.

Thou art slave to Fate, Chance, kings, and desperate men,

And dost with poyson, warre, and sicknesse dwell,

And poppie, or charmes can make us sleepe as well,

And better than thy stroake; why swell'st thou then?

One short sleepe past, wee wake eternally,

And death shall be no more; death, thou shalt die.

Aus: Jonne Donne, Holy Sonnet X


Ein Loch ist im Gewebe. Wem's gefällt, / der reißt daran, geht fort, kommt, zerrt am Faden. / Und noch einmal. Und nur das Firmament

nimmt manchmal in der Nacht des Schneiders Nadel. / Schlaf, schlaf, John Donne, schlaf ein und quäl dich nicht. / Der Rock hängt schlaff und löchrig auf dem Bügel. / Die Zeit ist um. Durch diese Wolke blickt / schon bald der Stern: der Hüter deines Friedens. 

Aus: Joseph Brodsky „Große Elegie an John Donne“ (Aus dem Russischen von Alexander Kaempfe und Heinrich Ost)

Wie die Pfauen erst vor kurzem, nach der Ermordung des Argus, bunt geworden waren, so waren deine Flügel, geschwätziger Rabe, früher strahlend weiß, erst kürzlich schwarz geworden. Dieser Vogel hatte nämlich einst schneeweiße Federn, so silberglänzend, daß er völlig fleckenlosen Tauben gleichkam und nicht den Gänsen nachstand, die später mit wachsamer Stimme das Capitol retten sollten, und nicht dem Schwan, der die Flüsse liebt. Die Zunge wurde ihm zum Verhängnis; sie, die geschwätzige Zunge, bewirkte, daß seine Farbe, die weiß war, jetzt ins Gegenteil verkehrt ist.

Ovid, Metamorphosen, II 533-542

In ganz Haemonien gab es kein schöneres Mädchen als Coronis aus Larissa: Dir, Gott von Delphi, gefiel sie ganz gewiß, solange sie entweder treu oder unbeobachtet war; aber der Vogel des Phoebus bemerkte ihren Treuebruch. Gerade war er unterwegs zu seinem Herrn, um ihm die heimliche Verfehlung als unerbittlicher Kläger zu enthüllen. Ihn holt, heftig mit den Flügeln schlagend, der geschwätzige Rabe ein, um alles auszukundschaften. Nachdem sie gehört hatte, was ihn zu seinem Fluge bewog sprach sie: »Deine Reise bringt dir keinen Nutzen...«

Ovid, Metamorphosen, II 543-550


Ich lese eigentlich alles, das ist bei mir ein Automatismus.

Wenn ich ein Buch in die Hand kriege, erstmal alle Bilder rausreißen - dann kann ich lesen.

Ich lese Buchstaben, wo immer sie auch sind.

Aus: Helge Schneider als Leseratte, 10 vor 11


Nächstdem, sprach ich, vergleiche dir unsere Natur in Bezug auf Bildung und Unbildung folgendem Zustande. Sieh nämlich Menschen wie in einer unterirdischen höhlenartigen Wohnung, die einen gegen das Licht geöffneten Zugang längs der ganzen Höhle hat. In dieser seien sie von Kindheit an gefesselt an Hals und Schenkeln, so daß sie auf demselben Fleck bleiben und auch nur nach vorne hin sehen, den Kopf aber herumzudrehen der Fessel wegen nicht vermögend sind. Licht aber haben sie von einem Feuer, welches von oben und von ferne her hinter ihnen brennt. Zwischen dem Feuer und den Gefangenen geht oben her ein Weg, längs diesem sieh eine Mauer aufgeführt, wie die Schranken welche die Gaukler vor den Zuschauern sich erbauen, über welche herüber sie ihre Kunststücke zeigen. – Ich sehe, sagte er. – Sieh nun längs dieser Mauer Menschen allerlei Gefäße tragen, die über die Mauer herüber ragen, und Bildsäulen und andere steinerne und hölzerne Bilder und von allerlei Arbeit; einige, wie natürlich, reden dabei, andere schweigen. Ein gar wunderliches Bild, sprach er, stellst du dar und wunderliche Gefangene. – Uns ganz ähnliche, entgegnete ich.

Aus: Platon, Politeia 514a – 517a

Ein weiteres Thema, das alle Probleme multipliziert, haben wir bisher ausgespart: die Zeit. (...) Wir lassen offen, was Zeit »ist«.

Aus: Niklas Luhmann, Soziale Systeme. Grundriss einer

allgemeinen Theorie

Das Maß der Arbeit ist die Zeit. Bloß weil die Produkte Arbeit sind, können sie gemessen werden durch das Maß der Arbeit, durch die Arbeitszeit, oder das Quantum der in ihnen konsumierten Arbeit. Die Negation der Ruhe, als bloße Negation, als ascetisches Opfer schafft nichts. Es kann Einer den ganzen Tag, wie die Mönche etc., sich abkasteien, martern etc. und dieses Quantum Opfer, was er bringt, lockt keinen Hund vom Ofen. (...) Außer dem Opfer muß noch etwas da sein... positive, schaffende Tätigkeit.

Aus: Karl Marx, Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie. Rohentwurf (Das Kapitel vom Kapital)


DICHTER Was macht die Welt.

MALER Ihr Lauf Sir / Nutzt sie ab.

Aus: William Shakespeare, Timon von Athen

POET How goes the world?

PAINTER It wears, sir, as it grows.

Aus: William Shakespeare, Timon von Athen,

Wenn ein Schiff untergeht, versinkt auch die Apotheke mit.

Aus: Ernst Jünger, Der Waldgang


1223. Die letzte Woche kam mir irgendwie zu lange vor. Zusätzlich verwirrend: die Stille dieses feiertäglichen Montags. Das große Geheimnis: die Balance halten, wie? Ich habe in München ein Tagebuch von Dali Irrsinn. Nur zwischendurch mal, ein ganzes Jahr lang: nichts. Schweigen. Kein Wort. Keine Zeile. Nur die Jahreszahl. Finster.

Aus: Rainald Goetz, Abfall für alle. Roman eines Jahres (Ostermontag, 13.04.1998, Berlin)

FATZER Ich mache keinen Krieg mehr, sondern gehe

Jetzt heim geradewegs, ich scheiße

Auf die Ordnung der Welt. Ich bin

Verloren.

Aus: Bertolt Brecht. Der Untergang des Egoisten Johann Fatzer (Bühnenfassung von Heiner Müller)


Es gibt nicht nur seltsame Reisen in der Stadt, sondern auch Reisen an Ort und Stelle. wir denken dabei nicht an die Drogensüchtigen (...), sondern eher an echte Nomaden. Von diesen Nomaden kann man wie Toynbee sagen: sie bewegen sich nicht. Sie sind Nomaden, weil sie sich nicht bewegen, weil sie nicht umherwandern, weil sie einen glatten Raum halten, den sie nicht verlassen wollen...

Eine Reise an Ort und Stelle, das ist der Name aller Intensitäten, selbst wenn sie sich auch in Extension entwickeln. Denken heißt reisen (...).

Aus: Gilles Deleuze / Félix Guattari, Kapitalismus und Schizophrenie. Tausend Plateaus (Kap. 14: 1440 – Das Glatte und das Gekerbte)

Und vieles

Wie auf den Schultern eine

Last von Scheitern ist

Zu behalten. Aber bös sind

Die Pfade. Nämlich unrecht,

Wie Rosse, gehn die gefangenen

Element und alten

Gesetze der Erd. Und immer

Ins Ungebundene gehet eine Sehnsucht. Vieles aber ist

Zu behalten. Und not die Treue.

Vorwärts aber und rückwärts wollen wir

Nicht sehn. Uns wiegen lassen, wie

Auf schwankem Kahne der See.

Aus: Friedrich Hölderlin, Mnemosyne (Dritte Fassung)

In der Anfangszeit der Revolution bildeten die Boten, die zwischen dem Smolny und dem Haupttelegrafenamt die Eilnachrichten transportierten, eine ununterbrochene Kette, deren Glieder in fünf bis zehn Metern Abstand einander durch den Eisschnee oder Schneematsch folgten. Die entgegengesetzte Kette von Boten, die ausgefüllte Formulare vom Telegrafenamt zum Smolny brachten, hatten zueinander einen Abstand von mehr als einem Kilometer. Keine Revolution ohne Telegrafie.

Aus: Alexander Kluge, Le Moment fugitif


Der Verdacht, man beobachte mich, hat sich in den verlorenen Tagen zwischen Weihnachten und Neujahr verdichtet.

Ach was: Der Verdacht ist nie ein Verdacht gewesen, sondern stets eine anfallsartige Gewißheit. Seit ich hier wohne, seit einem halben Jahr also, bin ich immer wieder Opfer geworden dieser sehr irritierenden Evidenzmomente, man beobachtet mich, die nie vernünftig widerlegt wurden, sondern ebenso plötzlich wie sie da gewesen waren dann fort gewesen sind, so wie Myriaden anderer rückstandslos vergessener Momentgedanken. In den letzten Wochen jedoch hat sich schließlich doch ein Erinnerungsrückstand gebildet.

In jenen Tagen zwischen Weihnachten und dem Beginn des Neuen Jahres, Tage, in denen Stillstand der Zeit und Lebenslähmung mich immer schon wie ein monströser Sonntagnachmittag überfallen, gewürgt haben, heuer noch schlimmer als sonst, da der Neujahrstag ein Freitag gewesen ist, das Neue Jahr also mit der Agonie eines Wochenendes begonnen hat, in diesen heuer auch noch überlangen Tagen der großen Verlorenheit ist aus dem plötzlich wahrgenommenen Erinnerungsrückstand ein Zwangsgrübeln hervorgegangen, nahezu unentrinnbar, jenseits jeglicher Vernunft. Man beobachtet mich, man beobachtet mich nicht, man mich, man mich nicht, undsofort. So geht es nicht weiter. Die Frage kann nicht von einem zwangsgrübelnden Kopf entschieden werden, sondern einzig durch meinerseitige Beobachtung.

Blitzhaft ist mir das heute morgen klargeworden. (...) Das werde ich nun gezielt tun. Die Beobachtungen müssen geordnet werden. Auf dem Hintergrund dieser Ordnung erhalten Spekulationen ihr Maß an Wahrscheinlichkeit. Die Ermittlungen haben begonnen.

Aus: Rainald Goetz, Kronos. Berichte (Das Polizeirevier)

Das Panopticon von Bentham ist die architektonische Gestalt dieser Zusammensetzung. Sein Prinzip ist bekannt: an der Peripherie ein ringförmiges Gebäude; in der Mitte ein Turm, der von breiten Fenstern durchbrochen ist, welche sich nach der Innenseite des Ringes öffnen; das Ringgebäude ist in Zellen unterteilt, von denen jede durch die gesamte Tiefe des Gebäudes reicht; sie haben jeweils zwei Fenster, eines nach innen, das auf die Fenster des Turms gerichtet ist, und eines nach außen, so daß die Zelle auf beiden Seiten von Licht durchdrungen wird. Es genügt demnach, einen Aufseher im Turm aufzustellen und in jeder Zelle, einen Irren, einen Kranken, einen Sträfling, einen Arbeiter oder einen Schüler unterzubringen. Vor dem Gegenlicht lassen sich vom Turm aus die kleinen Gefangenensilhouetten in den Zellen des Ringes genau ausnehmen. Jeder Käfig ist ein kleines Theater, in dem jeder Akteur allein ist, vollkommen individualisiert und ständig sichtbar. Die panoptische Anlage schafft Raumeinheiten, die es ermöglichen, ohne Unterlaß zu sehen und zugleich zu erkennen. Das Prinzip des Kerkers wird umgekehrt, genauer gesagt: von seinen drei Funktionen – einsperren, verdunkeln und verbergen – wird nur die erste aufrechterhalten, die beiden anderen fallen weg. Das volle Licht und der Blick des Aufsehers erfassen besser als das Dunkel, das auch schützte. Die Sichtbarkeit ist eine Falle.

Aus: Michel Foucault, Überwachen und Strafen. Die Geburt des Gefängnisses

Die zweite Art (von Mönchen) sind die Anachoreten, das heißt Einsiedler. Nicht in der ersten Begeisterung für das Mönchsleben, sondern durch Bewährung im klösterlichen Alltag und durch die Hilfe vieler hinreichend geschult, haben sie gelernt, gegen den Teufel zu kämpfen. In der Reihe der Brüder wurden sie gut vorbereitet für den Einzelkampf in der Wüste. Ohne den Beistand eines anderen können sie jetzt zuversichtlich mit eigener Hand und eigenem Arm gegen die Sünden des Fleisches und der Gedanken kämpfen, weil Gott ihnen hilft.

Aus: Benedicti regula / Die Benediktsregel

Wenn das Tao durch unseren Mund geht, ist es fade und ohne Geschmack.

Laozi

 

Das Tao des Edlen ist fade, und doch wird man seiner nicht satt.

Zhongyong

 

Denn mit dem Faden bleiben wir im Bereich der sinnlichen Erfahrung (auch wenn sie uns an die Grenze des Sinnlichen versetzt), dort, wo es am feinsten ist. Die Fadheit ist konkret, wie diskret sie auch immer sein mag.

Aus: Francois Julien, Über das Fade. Eine Eloge


Was frommt das alles uns und diese Spiele, / Die wir doch groß und ewig einsam sind / Und wandernd nimmer suchen irgend Ziele?

Was frommts, dergleichen viel gesehen haben? / Und dennoch sagt der viel, der »Abend« sagt, / Ein Wort, daraus Tiefsinn und Trauer rinnt

Wie schwerer Honig aus den hohlen Waben.

Aus: Hugo von Hofmannsthal, Ballade der äußeren Lebens

Nun und vorbei! Die Stunden gleiten hin,

Vertan, verhaucht, in Sehnsucht hingehetzt:

Doch jede, scheidend, senkt in deinen Sinn –

Daß es dort wohne – ein unsterblich Jetzt.

Aus: Samuel Taylor Coleridge, Aufschrift für eine Standuhr


Und aufgestanden vom Gebet, kommend zu den Jüngern, fand er sie eingeschlafen vor Betrübnis.

Lukas 22,45

Einmal dem Fehlläuten der Nachtglocke gefolgt – es ist niemals gutzumachen.

Aus: Franz Kafka, Ein Landarzt

Ich würde so etwas nie ohne Lippenstift lesen.
Maeve Brennan


Euer Land ist wüst, eure Städte sind mit Feuer verbrannt; Fremde verzehren eure Äcker vor euren Augen, und es ist wüst wie das, so durch Fremde verheert ist. Was noch übrig ist von der Tochter Zion, ist wie ein Häuslein im Weinberge, wie die Nachthütte in den Kürbisgärten, wie eine verheerte Stadt. Wenn uns der HERR Zebaoth nicht ein weniges ließe übrigbleiben, so wären wir wie Sodom und gleich wie Gomorra.

Jesaja 1, 7-9

Beide Philosophen suchten die Vergeb­lichkeit auf der Höhenwanderung zwi­schen Rothorn und Lenzerhorn, beide ahnten, je höher sie kamen, den Nihilis­mus der ihnen dort oben wie Schuppen von den Augen fiel – und doch: Ist der Tod Gottes und das nicht endende Nichts nur eine barometrische Schimäre?

Aus: Anatol Rosenthore, Vergebliche Suche nach Ver­änderung in der Höhe? Nietzsches und Heideggers pro­tometaphysische Versuche auf der Lenzer Heide, Vortrag anlässlich der 222. Konsultativkonferenz der Philosophischen Bauern: Observer, Oktober 2013

Both Philosophers were looking for futility on their altitudinal hiking tour between Rothorn and Lenzerhorn. Both had already—the further up they came—the premonition of Nihilism, which fell like scales from their eyes upon arrival, however: Is the death of god and the annihilating nothing but a barometric chimaera?

Aus: Anatol Rosenthore, Useless Search for change in the Height? Nietzsche’s and Heidegger’s protometaphysical attempts at Lenzer Heide, Lecture on the occasion of the 222nd Consultative Conference of the Philosophical Farmers: Observer, October 2013


Der Flug muß über den Wolken stattfinden, und es ist mit einer ziemlich geschlossenen Wolkendecke zu rechnen. Man muß sich auf die eigenen Instrumente verlassen. Gelegentlich sind Durchblicke nach unten möglich - ein Blick auf Gelände mit Wegen, Siedlungen, Flüssen oder Küstenstreifen, die an Vertrautes erinnern; oder auch ein Blick auf ein größeres Stück Landschaft mit den erloschenen Vulkanen des Marxismus. Aber niemand sollte der Illusion zum Opfer fallen, daß diese wenigen Anhaltspunkte genügen, um den Flug zu steuern. 

Aus: Niklas Luhmann, Soziale Systeme. Grundriß einer allgemeinen Theorie

Vor Muth und Diensteifer fast ein wenig allzu rasch, stellte ich mich neben eine der größten Kanonen, die so eben nach der Festung abgefeuert ward, und sprang im Hui auf die Kugel, in der Absicht, mich in die Festung hineintragen zu lassen. Als ich aber halbweges durch die Luft geritten war, stiegen mir allerley nicht unerhebliche Bedenklichkeiten zu Kopfe. »Hum, dachte ich, hinein kommst du nun wohl, allein wie hernach sogleich wieder heraus? Und wie kanns dir in der Festung ergehen?«

Aus: Des Freyherrn von Münchhausen Wunderbare Reisen


Die Schauspieler haben ihre Gesichter an den Nagel in der Garderobe gehängt. In seinem Kasten verfault der Souffleur. Die ausgestopften Pestleichen im Zuschauerraum bewegen keine Hand. Ich gehe nach Hause und schlage die Zeit tot, einig /  Mit meinem ungeteilten Selbst.

Fernsehn Der tägliche Ekel Ekel

Am präparierten Geschwätz  Am verordneten Frohsinn

Wie schreibt man GEMÜTLICHKEIT

Aus: Heiner Müller, Die Hamletmaschine

Veränderungen finden draußen statt, außerhalb des Landes, des Gemeinwesens, der Familie und außerhalb der eigenen vier Wände. Diese Illusion ist der Panzer des Ich. Wenn diese Illusion zerbricht, hilft Wermut. Über den allmählichen Ausbau von Widerstands-nestern gegen Veränderung durch den Konsum von Wermut.

Aus: Fräulein Trinitas (Ethno-Maieutik & Reduce Ltd., CRO), »Draußen ist feindlich.« Ein Sturzbach aus Wermut schützt vor Veränderung. Über Widerstandsnester, Vortrag anlässlich der 222. Konsultativkonferenz der Philosophischen Bauern: Observer,
Oktober 2013

Changes take place outside, outside of the country, of the community, of the family and outside of your four walls. This illusion is the Armor of the Ego. When this illusion cracks, Vermouth helps. On the gradual evelopment of Pockets of Resistance against change by the consumption of Vermouth.

Aus: Fräulein Trinitas (Ethno-Maieutik & Reduce Ltd., CRO), »Outside is hostile.« A Torrent of Vermouth protects against change. On Pockets of Defense, Lecture on the occasion of the 222nd Consultative Conference of the Philosophical Farmers: Observer, October 2013


Courage donc, partons. Suivez-moi, vous tous qu’une mortification de l’amour, une négligence de l’amitié, retiennent dans votre appartement, loin de la petitesse et de la perfidie des hommes. Que tous les malheureux, les malades et les ennuyés de l’univers me suivent ! — Que tous les paresseux se lèvent en masse ! Et vous qui roulez dans votre esprit des projets sinistres de réforme ou de retraite pour quelque infidélité ; vous qui, dans un boudoir, renoncez au monde pour la vie ; aimables anachorètes d’une soirée, venez aussi : quittez, croyez-moi, ces noires idées ; vous perdez un instant pour le plaisir sans en gagner un pour la sagesse. Daignez m’accompagner dans mon voyage ; nous marcherons à petites journées, en riant, le long du chemin, de voyageurs qui ont vu Rome et Paris ; — aucun obstacle ne pourra nous arrêter ; et, nous livrant gaiement à notre imagination, nous la suivrons partout où il lui plaira de nous conduire.

Aus: Xavier de Maistre, Voyage Autour de ma chambre

Da ich den Entschluß gefaßt habe, in absehbarer Zukunft meine Entlassung aus der Anstalt zu beantragen, um wieder unter gesitteten Menschen und in häuslicher Gemeinschaft mit meine Frau zu leben, so wird es nothwendig sein, denjenigen Personen, die dann meine Umgebung bilden werden, wenigstens einen ungefähren Begriff von meinen religiösen Vorstellungen zu geben, damit sie die manchen scheinbaren Absonderlichkeiten meines Verhaltes wenn auch nicht vollständig begreifen, so doch mindestens von der Nothwendigkeit, die mir diese Absonderlichkeiten aufzwingt, eine Ahnung zu erhalten.

Aus: Daniel Paul Schreber, Denkwürdigkeiten eines Nervenkranken

Da leben Menschen, weißerblühte, blasse,

und sterben staunend an der schweren Welt.

Und keiner sieht die klaffende Grimasse,

zu der das Lächeln einer zarten Rasse

in namenlosen Nächten sich entstellt.

 

Sie gehn umher, entwürdigt durch die Müh,

sinnlosen Dingen ohne Mut zu dienen,

und ihre Kleider werden welk an ihnen,

und ihre schönen Hände altern früh.

Die Menge drängt und denkt nicht sie zu schonen,

obwohl sie etwas zögernd sind und schwach, –

nur scheue Hunde, welche nirgends wohnen,

gehn ihnen leise eine Weile nach.

 

Sie sind gegeben unter hundert Quäler,

und, angeschrien von jeder Stunde Schlag,

kreisen sie einsam um die Hospitäler

und warten angstvoll auf den Einlaßtag.

Aus: Rainer Maria Rilke, Stunden-Buch

Der Mensch lebt noch überall in der Vorgeschichte, ja alles und jedes steht noch vor Erschaffung der Welt, als einer rechten. Die wirkliche Genesis ist nicht am Anfang, sondern am Ende, und sie beginnt erst anzufangen, wenn Gesellschaft und Dasein radikal werden, das heißt sich an der Wurzel fassen. Die Wurzel der Geschichte aber ist der arbeitende, schaffende, die Gegebenheiten umbildende und überholende Mensch. Hat er sich erfasst und das Seine ohne Entäußerung und Entfremdung in realer Demokratie begründet, so entsteht in der Welt etwas, das allen in die Kindheit scheint und worin noch niemand war: Heimat.

Aus: Ernst Bloch, Das Prinzip Hoffnung

Der Generalsekretär des Zentralkomitees der SED und Vorsitzende des Staatsrates der DDR, Erich Honecker, richtete an den Generalsekretär des Zentralkomitees der Partei der Arbeit Koreas und Präsidenten der Koreanischen Demokratischen Volksrepublik, Kim II Sung, folgendes Glückwunschtelegramm: Werter Genosse Kim II Sung! Anläßlich Ihrer Wiederwahl zum Präsidenten der Koreanischen Demokratischen Volksrepublik übermittle ich Ihnen die herzlichsten Glückwünsche und brüderliche Grüße.

Aus: Neues Deutschland vom 02.01.1987 (imaginiert gesprochen von Angelika Unterlauf)


Ich schmiegte meine Wangen zärtlich an die sanften Wangen des Kissens, die so voll und frisch den Wangen unserer Kindheit gleichen. Ich riss ein Streichholz an, um auf die Uhr zu sehen. Gleich Mitternacht. Dies ist der Augenblick, da der Kranke, der zu einer Reise gezwungen gewesen ist, in einem unbekannten Hotel hat einkehren müssen und von einem Anfall aufgeweckt wird, sich freut, wenn er einen Streifen Tageslicht unter der Tür entdeckt. Welch Glück, es ist ja schon Morgen! Gleich werden die Dienstboten aufgestanden sein, er wird läuten können, man wird kommen, ihm zu helfen. Die Hoffnung auf Erleichterung gibt ihm die Kraft zu leiden. Eben schon hat er geglaubt, Schritte zu hören; die Schritte nähern sich, entfernen sich dann. Und der Streifen Tageslicht, der unter seiner Tür lag, ist verschwunden. Es ist Mitternacht: man hat gerade das letzte Gaslicht gelöscht; der letzte Dienstbote ist gegangen, und er wird die ganze Nacht leiden müssen ohne Beistand.

Aus: Marcel Proust, Auf der Suche nach der verlorenen Zeit

So, also hierher kommen die Leute, um zu leben, ich würde eher meinen, es stürbe sich hier. Ich bin ausgewesen. Ich habe gesehen: Hospitäler. Ich habe einen Menschen gesehen, welcher schwankte und umsank. Die Leute versammelten sich um ihn, das ersparte mir den Rest.

Aus: Rainer Maria Rilke, Die Auf-zeichnungen des Malte Laurids Brigge

Ich lerne sehen. Ich weiß nicht, woran es liegt, es geht alles tiefer in mich ein und bleibt nicht an der Stelle stehen, wo es sonst immer zu Ende war. Ich habe ein Inneres, von dem ich nicht wußte. Alles geht jetzt dorthin. Ich weiß nicht, was dort geschieht.

Aus: Rainer Maria Rilke, Die Auf-zeichnungen des Malte Laurids Brigge


So ist in jedem Studierzimmer, in jeder Bücherstube ein wenig Sanduhr-Stimmung, ein wenig vom Geiste der Melancholia und des heiligen Hieronymus. Es ist da immer Trauer, aber auch immer Behaglichkeit, weil immer Besinnung ist. Jeder wird Stunden kennen, die er dort schweigend oder im Gespräch verbrachte, und in denen die Zeit, wenn nicht stille zu stehen, so doch gemächlicher zu fließen schien. Vielleicht regnete es draußen oder es brannte ein Feuer im Kamin.

Aus: Ernst Jünger, Das Sanduhrbuch

»Also, ich war noch nicht mit dem ersten Vers fertig«, sagte der Hutmacher, »als die Königin rief: ‚Abscheulich! der schlägt ja die Zeit tot. Kopf ab!‘«

»Wie gräßlich grausam!« rief Alice.

»Und seitdem«, sprach der Hutmacher traurig weiter, »hat mir die Zeit nie wieder einen Gefallen getan. Jetzt bleibt es immer sechs Uhr!«

Aus: Lewis Carroll, Alices Abenteuer im Wunderland

Und da es das siebente Siegel auftat, ward eine Stille in dem Himmel bei einer halben Stunde.

Offb 8,1

Im selben Augenblick begann die Zeit wieder, und alles regte und bewegte sich von neuem. Die Autos fuhren, die Verkehrsschutzleute pfiffen, die Tauben flogen und der kleine Hund am Lichtmast machte sein Bächlein. Davon, daß die Welt für eine Stunde still gestanden hatte, hatten die Menschen nichts bemerkt.

Aus: Michael Ende, Momo


Ferner habe ich von der Art und Weise, wie sich die Auferstehung Jesu Christi vollzogen haben mag, eine ziemlich deutliche Vorstellung erlangt; ich habe in der letzten Zeit meines Aufenthalts in der Flechsig’schen Anstalt und in der ersten Zeit meines hiesigen Aufenthalts nicht nur in einem, sondern in Hunderten Fällen mitangesehen, daß Menschengestalten durch göttliche Wunder auf kurze Zeit hingeworfen wurden, um sich dann wieder aufzulösen oder zu verschwinden – die in mich hereinsprechenden Stimmen bezeichneten diese Erscheinungen als sog. »flüchtig hingemachte Männer« - zum Theil  selbst längst verstorbene, wie z.B. Dr. Rudolph J, (...) aber auch Andere, die anscheinend eine Seelenwanderung durchgemacht hatten, wie z.B. Oberstaatsanwalt B., Oberlandesgerichtsräthe Dr. N. und W., Geh. Rath Dr. W., Rechtswanwalt W., meinen Schwiegervater und Andere, Alle ein sog. Traumleben führend, d.h. nicht den Eindruck machend, als ob sie ein vernünftiges Gespräch zu führen im Stande wären, wie ich denn damals auch selbst noch nicht zum Sprechen geneigt war, in der Hauptsache eben deshalb, weil ich keine wirklichen Menschen, sondern nur Wunderpuppen vor mir zu haben glaubte.

Aus: Daniel Paul Schreber, Denkwürdigkeiten eines Nervenkranken

How many thousand of my poorest subjects

Are at this hour asleep! O sleep, O gentle sleep,

Nature’s soft nurse, how have I frighted thee,

That thou no more wilt weigh my eyelids down

And steep my senses in forgetfulness?

(…)

Canst thou, O partial sleep, give thy repose

To the wet sea-boy in an hour so rude,

And, in the calmest and most stillest night,

With all appliances and means to boot,

Deny it to a king? Then, happy low, lie down.

Uneasy lies the head that wears a crown.

Aus: William Shakespeare, Henry IV

For oft when on my couch I lie

In vacant or in pensive mood,

The flash upon that inward eye

Which is the bliss of solitude,

And then my heart with pleasure fills

And dances with the daffodils.

Aus: William Wordsworth, The Daffodils

Happy the man, whose wish and care

   A few paternal acres bound,

Content to breathe his native air,

                            In his own ground.

Whose herds with milk, whose fields with bread,

   Whose flocks supply him with attire,

Whose trees in summer yield him shade,

                            In winter fire.

Blest, who can unconcernedly find

   Hours, days, and years slide soft away,

In health of body, peace of mind,

                            Quiet by day,

Sound sleep by night; study and ease,

   Together mixed; sweet recreation;

And innocence, which most does please,

                            With meditation.

Thus let me live, unseen, unknown;

   Thus unlamented let me die;

Steal from the world, and not a stone

                            Tell where I lie.

Alexander Pope, Ode on Solitude


Ihre Silhouette beugt sich vor und sagt: »Und sehet, die Erde war wüst und leer.

Und es war finster auf der Tiefe.

Und WIR sprachen:

Sehet, wie der Arsch tanzt

(...)

Für verschwatzte Anmoderationen und kontextuelle Füllsel ist Madame Psychosis nicht zu haben. Ihre Stunde ist dicht gepackt und sachlich. (...)  »Die Leukodermatiker. Die Xanthodontiker. Die maxillofazial Fehlgebildeten. Die mit verzerrten Augenhöhlen aller Art. Traut Euch hervor unter dem Deckenfluter der Sonne, heißt es hier. Kommt rein aus dem Spektralregen.« Madame Psychosis‘ Radiostimme klingt nicht nach Boston. (...) Ihre Stimme ist sparsam moduliert und seltsam leer, als spräche sie aus einer kleinen Kiste heraus. Sie klingt weder gelangweilt noch lakonisch, ironisch oder verschmitzt. (...) Beispielsweise hat sie im Frühjahrssemester im J.d.M.a.d.H.A. ihre Sendung monatelang »Madames Downerliteraturstunde« genannt und ein deprimierendes Buch nach dem anderen vorgelesen – Guten Morgen, Mitternacht und Maggie, das Straßenkind und Giovannis Zimmer und Unter dem Vulkan und während der Fastenzeit noch einen richtig schrecklichen Bret Ellis – monoton, unendlich langsam, Nacht für Nacht.

Aus: David Foster Wallace, Unendlicher Spaß

DRITTER BÜRGER

Todtgeschlagen, wer kein Loch im Rock hat.

ERSTER BÜRGER

Todtgeschlagen, wer lesen und schreiben kann.

ZWEITER BÜRGER

Todtgeschlagen, wer auswärts geht.

(Alle schreien:) Todtgeschlagen, todtgeschlagen!

EINIGE STIMMEN

Er hat ein Schnupftuch! ein Aristokrat! an die Laterne! an die Laterne!

ZWEITER BÜRGER

Was? er schneuzt sich die Nase nicht mit den Fingern? An die Laterne! (Eine Laterne wird heruntergelassen.)

JUNGER MENSCH

Ach, meine Herrn!

ZWEITER BÜRGER

Er gibt hier keine Herren! An die Laterne!

Aus: Georg Büchner, Danton’s Tod

CAMILLE

Rasch, Danton, wir haben keine Zeit zu verlieren.

DANTON (kleidet sich um).

Aber die Zeit verliert uns. – Das ist sehr langweilig, immer das Hemd zuerst und dann die Hosen drüber zu ziehen, und des Abends in’s Bett und Morgens wieder heraus zu kriechen und einen Fuß immer so vor den anderen zu setzen, da ist gar kein Absehen, wie es anders werden soll. Das ist sehr traurig, und, daß Millionen es schon so gemacht haben, und, daß Millionen es wieder so machen werden, und, daß wir noch obendrein aus zwei Hälften bestehen, die beide das Nämliche thun, so daß Alles doppelt geschieht, - daß ist sehr traurig.

CAMILLE

Du sprichst in einem ganz kindischen Ton.

Aus: Georg Büchner, Danton’s Tod


So trat die Einwirkung schon verhältnismäßig früh in der Form des Denkzwangs auf – ein Ausdruck, den mit die inneren Stimmen selbst genannt haben, der aber anderen Menschen kaum bekannt sein wird, weil die ganze Erscheinung außerhalb aller menschlichen Erfahrung liegt. Das Wesen des Denkzwangs besteht darin, daß der Mensch zu unablässigem Denken genöthigt wird, mit anderen Worten das natürliche Recht des Menschen, seinen Verstandesnerven von Zeit zu Zeit durch Nichtsdenken (wie am ausgeprägtesten im Schlafe geschieht) die erforderliche Ruhe zu gönnen, wurde mir von Anfang an durch die mit mir verkehrenden Strahlen verschränkt, die fortwährend zu wissen begehrten, woran ich denke. Man stellte also z.B. geradezu – in diesen Worten – die Frage: »Woran denken Sie denn jetzt?« und da diese Frage schon an und für sich der komplette Unsinn ist, insofern bekanntlich der Mensch ebensowohl – zu gewissen Zeiten – Nichts, wie  auf der anderen Seite Tausenderlei auf einmal denken kann, und da also meine Nerven auf diese widersinnige Frage an und für sich nicht reagierten, so war man sehr bald genötigt, zu einem System von Gedankenfälschungen seine Zuflucht zu nehmen, indem man sich z.B. auf obige Frage selbst die Antwort gab: »An die Weltordnung sollte derjenige« scilicet denken (...).

Aus: Daniel Paul Schreber, Denkwürdigkeiten eines Nervenkranken

Der Keller als Lebensmittelgeschäft des Karl Podlaha aber war immer der Mittelpunkt der Siedlung gewesen, hier gab es keinen anderen Unterhaltungsort, kein Gasthaus, kein Kaffeehaus, nur die ganz auf die Vernichtung und auf die Kompromittierung ihrer Bewohner hin konstruierten Bauten, in deren Eintönigkeit und Abscheulichkeit jedes, ganz gleich welches Gemüt verkommen und absterben und zugrundegehen mußte. (...) Der Keller ist für viele dieser Siedlungsmenschen immer wieder die einzige und letzte Rettung gewesen.

Aus: Thomas Bernhard, Der Keller. Eine Entziehung

Es waren graue Häuser

in denen man so gelebt,

gewebt, gewirkt, geworden

die grauen Häuser im Norden

 

u die nach uns kommen, die werden

durch dieselben Häuser gehn

gewebt gewirkt geworden

mit Strassen u Borden

u, Balkon zu sehn -

 

wo wucherst Du eigentlich hin

aus einer Knolle voll Gifte

Durch Kletten u Nesseltrifte

bestimmt nicht in den Sinn.

Aus Gottfried Benn, Poetische Fragmente (1954)

 


To beginn at the beginning: It is spring, moonless night in the small town, starless and bibleblack, the cobblestreets silent and the hunched, courters'-and-rabbits‘ wood limping invisible down to the sloeblack, slow, black, crowblack, fishingboat-bobbing sea.

The houses are blind as moles (though moles see fine to-night in the snouting, velvet dingles) or blind as Captain Cat there in the muffled middle by the pump and the town clock, the shops in mourning, the Welfare Hall in widows' weeds. And all the people of the lulled and dumbfound town are sleeping now.

 

Anfangen, wo es anfängt: Es ist Frühling, mondlose Nacht in der kleinen Stadt, sternlos und bibelschwarz, die Kopfpflasterstraßen still, und der geduckte Liebespärchen- und Kaninchenwald humpelt unsichtbar hinab zur schlehenschwarzen, zähen, schwarzen, krähenschwarzen, fischerbootschaukelnden See. Die Häuser sind blind wie Maulwürfe (aber die Maulwürfe sehen gut heut Nacht im schnuppernden samtigen Waldtal) oder blind wie Kapitän Cat in der eingemummelten Mitte der Stadt, beim Brunnen und bei der Stadtuhr, bei den Läden in Trauer, beim Wohlfahrtshaus im Witwenschleier. Und alle Leute in der eingelullten umstimmten Stadt liegen und schlafen.

Dylan Thomas „Under the Milk Wood“ (übertragen von Erich Fried „Unter dem Milchwald“)

»Tue das nicht!« versetzte der Hauptmann, der die Überzeugungen anderer nicht gern mit den seinigen durchkreuzte, den die Erfahrung gelehrt hatte, daß die Ansichten der Menschen viel zu mannigfaltig sind, als daß sie, selbst durch die vernünftigsten Vorstellungen, auf Einen Punkt versammelt werden könnten. »Tue es nicht!« rief er, »sie dürfte leicht irre werden. Es ist ihr wie allen denen, die sich nur aus Liebhaberei mit solchen Dingen beschäftigen, mehr daran gelegen, daß sie etwas tue, als daß etwas getan werde. Man tastet an der Natur, man hat Vorliebe für dieses oder jenes Plätzchen; man wagt nicht, dieses oder jenes Hindernis wegzuräumen, man ist nicht kühn genug, etwas aufzuopfern; man kann sich voraus nicht vorstellen, was entstehen soll, man probiert, es gerät, es mißrät, man verändert, verändert vielleicht, was man lassen sollte, läßt, was man verändern sollte, und so bleibt es zuletzt immer ein Stückwerk, das gefällt und anregt, aber nicht befriedigt.«

Aus: Johann Wolfgang Goethe, Die Wahlverwandtschaften 

Estragon: Also, wir gehen?

Wladimir: Zieh dein Hose rauf.

Estragon: Wie bitte?

Wladimir: Zieh dein Hose rauf.

Estragon: Meine Hose aus?

Wladimir: Zieh dein Hose herauf.

Estragon: Ach ja. (Er zieht die Hose hoch. Schweigen.)

Wladimir: Also? Wir gehen?

Estragon: Gehen wir!

(Sie rühren sich nicht von der Stelle.)

Aus: Samuel Beckett: Warten auf Godot

Was wird geschehen? was wird die Zukunft bringen? Ich weiß nicht; ich ahne nichts. Wenn eine Spinne sich von einem festen Punkte aus in ihre Konsequenzen hinabstürzt, da sieht sie vor sich beständig einen leeren Raum, in welchem sie nirgends Fuß findet, wie sehr sie auch zappeln mag. Geradeso geht es mir. Vorn immer ein leerer Raum; was mich vorwärts treibt, ist eine Konsequenz, deren erster Anstoß hinter mir liegt. Dieses Leben ist ein verkehrtes und schreckliches, nicht zum Aushalten.

Aus: Sören Kierkegaard, Entweder Oder


Ein Psalm der Korachiter, vorzusingen, auf der Gittit.

Wie lieblich sind deine Wohnungen, HERR Zebaoth! Meine Seele verlangt und sehnt sich nach den Vorhöfen des HERRN; mein Leib und Seele freuen sich in dem lebendigen Gott. Der Vogel hat ein Haus gefunden und die Schwalbe ein Nest für ihre Jungen – deine Altäre, HERR Zebaoth, mein König und mein Gott. Wohl denen, die in deinem Hause wohnen; die loben dich immerdar. Sela. Wohl den Menschen, die dich für ihre Stärke halten und von Herzen dir nachwandeln! Wenn sie durchs dürre Tal ziehen, / wird es ihnen zum Quellgrund, und Frühregen hüllt es in Segen. Sie gehen von einer Kraft zur andern und schauen den wahren Gott in Zion. HERR, Gott Zebaoth, höre mein Gebet; vernimm es, Gott Jakobs! Sela. Gott, unser Schild, schaue doch; sieh an das Antlitz deines Gesalbten! Denn ein Tag in deinen Vorhöfen ist besser als sonst tausend. Ich will lieber die Tür hüten in meines Gottes Hause als wohnen in den Zelten der Frevler. Denn Gott der HERR ist Sonne und Schild; / der HERR gibt Gnade und Ehre. Er wird kein Gutes mangeln lassen den Frommen. HERR Zebaoth, wohl dem Menschen, der sich auf dich verlässt!

Psalm 84 

Ich mag gar nichts. Ich mag nicht reiten: es ist für eine Motion zu stark; ich mag nicht gehen: es ist zu anstrengend; ich mag mich nicht niederlegen: denn entweder müßte ich liegen bleiben, und das mag ich nicht, oder ich müßte mich wieder erheben, und das mag ich erst recht nicht. Summa Summarum: ich mag gar nichts.

Aus: Sören Kierkegaard, Entweder Oder

Es war einmal eine Mutter mit einem Töchterchen, das war noch klein, und wurde noch auf dem Arm getragen. Nun geschah es, daß das Kind einmal unruhig war, und die Mutter mochte sagen was sie wollte, es half nicht. Da ward sie ungeduldig, und weil die Raben so um das Haus herumflogen, machte sie das Fenster auf, und sagte: »ich wollte du wärst eine Rabe, und flögst fort, so hätt ich Ruhe.« Und kaum hatte sie das Wort gesagt, so war das Kind eine Rabe, und flog von ihrem Arm zum Fenster hinaus.

Aus: Brüder Grimm, Die Rabe


In unserer Lage sind wir verpflichtet, mit der Katastrophe zu rechnen und mit ihr schlafen zu gehen, damit sie uns nicht zur Nacht überrascht. Nur dadurch werden wir zu einem Vorrat an Sicherheit gelangen, der das vernunftmäßige Handeln möglich macht. Bei voller Sicherheit spielt der Gedanke nur mit der Katastrophe; er bezieht sie als unwahrscheinliche Größe in seine Pläne ein und deckt sich durch geringe Versicherungen ab. In unseren Tagen ist das umgekehrt. Wir müssen beinahe das ganze Kapital an die Katastrophe wenden - um gerade dadurch den Mittelweg offen zu halten, der messerschmal geworden ist.

Aus: Ernst Jünger, Der Waldgang

In Gefahr und grosser Noth

Bringt der Mittel-Weg den Tod.

Friedrich von Logau, Mittel-Weg

In Gefahr und größter Not bringt der Mittelweg den Tod.

Filmtitel, Alexander Kluge & Edgar Reitz


Die Sterne sind nicht immer da / Es kommt ein Morgenrot.

Aus: Bertolt Brecht, Legende vom toten Soldaten

Für alle reicht es nicht.

Heiner Müller


Ob diese satirische Überschrift auf dem Schilde jenes holländischen Gastwirts, worauf ein Kirchhof gemalt war, die Menschen überhaupt, oder besonders die Staatsoberhäupter, die des Krieges nie satt werden können, oder wohl gar nur die Philosophen gelte, die jenen süßen Traum träumen, mag dahin gestellt sein. Das bedingt sich aber der Verfasser des Gegenwärtigen aus, daß, da der praktische Politiker mit dem theoretischen auf dem Fuß steht, mit großer Selbstgefälligkeit auf ihn als einen Schulweisen herabzusehen, der dem Staat, welcher von Erfahrungsgrundsätzen ausgehen müsse, mit seinen sachleeren Ideen keine Gefahr bringe, und den man immer seine elf Kegel auf einmal werfen lassen kann, ohne, daß sich der weltkundige Staatsmann daran kehren darf, dieser auch, im Fall eines Streits mit jenem sofern konsequent verfahren müsse, hinter seinen auf gut Glück gewagten, und öffentlich geäußerten Meinungen nicht Gefahr für den Staat zu wittern; – durch welche clausula salvatoria der Verfasser dieses sich dann hiermit in der besten Form wider alle bösliche Auslegung ausdrücklich verwahrt wissen will.

Aus: Immanuel Kant, Zum ewigen Frieden

Die schönen Tage in Aranjuez

Sind nun zu Ende. Eure königliche Hoheit

Verlassen es nicht heiterer. Wir sind

Vergebens hier gewesen. Brechen Sie

Dies rätselhafte Schweigen.

Aus: Friedrich Schiller, Don Carlos

Don't cry - work.

Aus: Rainald Goetz, Irre

Wer Alles bei den Menschen begreifen wollte, der müsste Alles angreifen. Aber dazu habe ich zu reinliche Hände. Ich mag schon ihren Athem nicht einathmen; ach, dass ich so lange unter ihrem Lärm und üblem Athem lebte! Oh selige Stille um mich! Oh reine Gerüche um mich! Oh wie aus tiefer Brust diese Stille reinen Athem holt! Oh wie sie horcht, diese selige Stille!

Aus: Friedrich Nietzsche, Also sprach Zarathustra. 

Die Sorglosigkeit ging vom Gesicht auf die Stellung des ganzen Körpers und selbst auf die Schlafrockfalten über. Manchmal trübte sich sein Blick durch einen Anflug von Müdigkeit oder Langeweile. Aber weder die Müdigkeit noch die Langeweile konnte von seinem Gesicht auch nur für einen Augenblick die Weichheit vertreiben, die der herrschende und grundlegende Ausdruck nicht nur seines Gesichtes, sondern seiner ganzen Seele war. Diese Seele leuchtete hell aus den Augen, dem Lächeln und einer jeden Kopf- und Handbewegung. Ein flüchtig beobachtender, teilnahmsloser Mensch würde Oblomow nur im Vorübergehen anblicken und sagen: »Das ist gewiß ein guter, einfacher Kerl!«

Ein tieferer und teilnehmenderer Mensch würde sein Gesicht lange betrachten und dann lächelnd, in angenehmes Sinnen vertieft, weitergehen.

Aus: Iwan Gontscharow, Oblomov


Wir lernten hier neue Dinge kennen, wir sahen, daß es Schöneres gibt, als wir selber haben, so daß wir den Plan und die Ausführung zu den Arbeiten in dem Häuschen hier viel besser machten, als wir sonst beides gemacht haben würden. (…)

Ich hatte eine große Freude bei dem Anschauen dieser Dinge, und wer in dem Besitze einer so trefflichen Sammlung der schönsten, zahlreichen und dabei so mannigfaltigen Gegenstände ist, der kann niemals mehr bei seinen Anordnungen in das Unbedeutende, Leere und Nichtige verfallen, ja er muß bei gehöriger Benützung, und wenn sein Geist die Dinge in sich aufzunehmen versteht, nur das Hohe und Reine hervorbringen.

Aus: Adalbert Stifter, Der Nachsommer

Hüte Dich also, Deinen treuesten Freund, Dich selber, so zu vernachlässigen, daß dieser treue Freund Dir den Rücken kehre, wenn Du seiner am nötigsten bedarfst. Ach, es kommen Augenblicke, in denen Du Dich selbst nicht verlassen darfst, wenn Dich auch jedermann verläßt; Augenblicke, in welchen der Umgang mit Deinem Ich der einzige tröstliche ist – was wird aber in solchen Augenblicken aus Dir werden, wenn Du mit Deinem eignen Herzen nicht in Frieden lebst, und auch von dieser Seite aller Trost, alle Hilfe Dir versagt wird?

Aus: Adolph Freiherr von Knigge, Über den Umgang mit Menschen 

Wie hatten sie einander gefunden? Durch einen Zufall, wie alle Welt. Wie war ihr Name? Was liegt Ihnen dran? Woher kamen sie? Aus dem nächsten Ort. Wohin ging ihre Reise? Weiß man je, wohin man geht? Was sagten sie? Der Herr sagte nichts, und Jacques sagte, sein Hauptmann habe immer gesagt, alles, was uns hinieden an Gutem und Bösem zustoße, stehe da oben geschrieben.

Aus: Denis Diderot, Jacques der Fatalist und sein Herr

Die Herrlichkeit dessen, der alles bewegt, durchdringt das Universum und strahlt darin wider, in einem Teil mehr, anderswo weniger. Ich war im Himmel - er nimmt am meisten auf von seinem Licht - und sah Dinge, die, wer von dort oben zurückkommt, weder wiederzugeben weiß noch ausdrücken kann. Denn nähert sich unser Intellekt dem Ziel seiner Sehnsucht, dringt er so tief ein, daß das Gedächtnis ihm nicht folgen kann.

Dante Alighieri, Commedia (Paradiso, Canto 1)


Ich glaube, daß folgendes Bild das Entsetzen besonders treffend zum Ausdruck bringt: Es gibt eine Art von sehr dünnem und großflächigem Blech, mittels dessen man an kleinen Theatern den Donner vorzutäuschen pflegt. Sehr viele solcher Bleche, noch dünner und klangfähiger, denke ich mir in regelmäßigen Abständen übereinander angebracht, gleich Blättern eines Buches, die jedoch nicht gepreßt liegen, sondern durch irgendeine Vorrichtung voneinander entfernt gehalten werden.

Auf das oberste Blatt dieses gewaltigen Stoßes hebe ich dich empor, und sowie das Gewicht deines Körpers es berührt, reißt es krachend entzwei. Du stürzt, und stürzt auf das zweite Blatt, das ebenfalls, und mit heftigem Knalle, zerbirst. Der Sturz trifft auf das dritte, vierte und fünfte Blatt und so fort, und die Steigerung der Fallgeschwindigkeit läßt die Detonation in einer Beschleunigung aufeinander folgen, die den Eindruck eines an Tempo und Heftigkeit ununterbrochen verstärkten Trommelwirbels erweckt. Immer noch rasender werden Fall und Wirbel, in einen mächtig rollenden Donner sich verwandelnd, bis endlich ein einziger, fürchterlicher Lärm die Grenzen des Bewußtseins sprengt. So pflegt das Entsetzen den Menschen zu vergewaltigen...

Aus: Ernst Jünger, Das abenteuerliche Herz

It was as though a veil had been rent. I saw on that ivory face the expression of sombre pride, of ruthless power, of craven terror—of an intense and hopeless despair. Did he live his life again in every detail of desire, temptation, and surrender during that supreme moment of complete knowledge? He cried in a whisper at some image, at some vision—he cried out twice, a cry that was no more than a breath:

»The horror! The horror!«

Aus: Joseph Conrad, Heart of Darkness

Es war, als sei ein Schleier entzweigerissen worden. Hochmut, Machtgier, Angst und Schrecken spiegelten sich auf dem wächsernen Gesicht, und eine tiefe, hoffnungslose Verzweiflung. Zog sein Leben - Begierde, Versuchung und Unterwerfung - in diesem Augenblick letzter Erkenntnis nochmals in scharfen Bildern an ihm vorüber? Irgend etwas tauchte vor seinem innern Auge auf; leise, kaum vernehmlicher als ein Hauch, entrangen sich ihm die Worte: »Grauenvoll! Grauenvoll!«

Aus: Joseph Conrad, Herz der Finsternis


Aber der Übeltäter einer, die da gehenkt waren, lästerte ihn und sprach: Bist du Christus, so hilf dir selber und uns! Da antwortete der andere, strafte ihn und sprach: Und du fürchtest dich auch nicht vor Gott, der du doch in gleicher Verdammnis bist? Und wir zwar sind billig darin, denn wir empfangen, was unsere Taten wert sind; dieser aber hat nichts Ungeschicktes getan. Und er sprach zu Jesu: HERR, gedenke an mich, wenn du in dein Reich kommst! Und Jesus sprach zu ihm: Wahrlich ich sage dir: Heute wirst du mit mir im Paradiese sein.

Lk 23, 39-43

schtzngrmm

schtzngrmm

t-t-t-t

t-t-t-t

grrrmmmmm

t-t-t-t

s---------c---------h

tzngrmm

tzngrmm

tzngrmm

grrrmmmmm

schtzn

schtzn

t-t-t-t

t-t-t-t

schtzngrmm

schtzngrmm

tssssssssssssss

grrt

grrrrrt

grrrrrrrrrt

scht

scht

t-t-t-t-t-t-t-t-t-t

scht

tzngrmm

tzngrmm

t-t-t-t-t-t-t-t-t-t

scht

scht

scht

scht

scht

grrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrr

t-tt

Ernst Jandl, Schtzngrmm

bitte ist hier frei

nein hier ist besetzt

danke

bitte ist hier frei

nein hier ist besetzt

danke

bitte ist hier frei

nein hier ist besetzt

danke

ist hier frei

nein hier ist besetzt

danke

ist hier frei

hier ist besetzt

danke

ist hier frei

nein besetzt

danke

bitte ist hier frei

nein

danke

hier frei

besetzt

danke

ist hier frei

nein hier ist leider besetzt

danke

ist hier frei

bitte

danke

Ernst Jandl, Im Park

rininininininininDER

brüllüllüllüllüllüllüllüllEN

schweineineineineineineineinE

grununununununununZEN

hununununununununDE

bellellellellellellellellEN

katatatatatatatatZEN

miauiauiauiauiauiauiauiauEN

katatatatatatatatER

schnurrurrurrurrurrurrurrurrEN

gänänänänänänänänSE

schnattattattattattattattattERN

ziegiegiegiegiegiegiegiegEN

meckeckeckeckeckeckeckeckERN

bienienienienienienienienEN

summummummummummummummummEN

grillillillillillillillillEN

ziriririririririrPEN

fröschöschöschöschöschöschöschöschE

quakakakakakakakakEN

hummummummummummummummummELN

brummummummummummummummummEN

vögögögögögögögögEL

zwitschitschitschitschitschitschitschitschERN

Ernst Jandl, Auf dem Land

klos, sein da wo klos?

du gehen rund den knödel

du dann finden den türen

sein drauf stehn >männeken<

du dort treten innen

du dort finden den rinnen

du machen auf den hos.

du wissen was dann tun?

ja ich wissen was dann tun.

so ich gehen rund den knödel

ich dann finden den türen

sein drauf stehn >männeken<

ich dort treten innen

ich dort finden den rinnen

ich machen auf den hos

ich nix finden darinnen.

rasch ich zumachen den hos

rasch ich treten außen

finden den türen neben

sein drauf stehn >fraunen<

sein ich erstaunen

daß in mein leben das

ich haben können vergessen

Ernst Jandl, Klos