Was: Installation eines Ideengenerators
Wozu: Erzeugung von Ideen für erweiterte Nutzungsmöglichkeiten evangelischer Kirchen in Mitteldeutschland
Wo: Am Anger in Erfurt, vor der Kaufmannskirche
Wann: 13. Mai - 19. November 2017
Kontext: Ausstellung »500 Kirchen 500 Ideen« in der Kaufmannskirche
Kooperation: Mit chezweitz und Andree Volkmann
Ich, das steinerne Haus, das man Kirche nennt [1], bin nicht allein ein steinernes Haus.
[1] »Aber weil wir dies unklare Wort ‚Kirche’ im Kinderglauben gebrauchen, verfällt der gemeine Mann auf das steinerne Haus, das man Kirche nennt, wie es die Maler malen«. Luther, in: Von den Konzilen und der Kirche (1539) Luther-W Bd. 6, 31.
Ich, das steinerne Haus, das man Kirche nennt, bin ein Fenster zum Himmel [5] und bleibe dies auch – es sei denn, man reißt mich ab.
[5] Ebd.
Ich, das steinerne Haus, das man Kirche nennt, darf nicht zu einem leeren, stillen und verschlossenen Ort werden. [7]
[7] Ebd.: »Freimütig müssen wir bekennen: wir machen zu wenig mit unseren Kirchen, Gott bleibt viel zu oft allein in den leeren, stillen und verschlossenen Kirchen.«
Ich, das steinerne Haus, das man Kirche nennt, bin nicht allein ein steinernes Haus – ich bin ein Ort für den Möglichkeitssinn [10].
[10] Robert Musil, Der Mann ohne Eigenschaften: »Wenn es aber Wirklichkeitssinn gibt, und niemand wird bezweifeln, daß er seine Daseinsberechtigung hat, dann muß es auch etwas geben, das man Möglichkeitssinn nennen kann. Wer ihn besitzt, sagt beispielsweise nicht: Hier ist dies oder das geschehen, wird geschehen, muß geschehen; sondern er erfindet: Hier könnte, sollte oder müßte geschehn; und wenn man ihm von irgend etwas erklärt, daß es so sei, wie es sei, dann denkt er: Nun, es könnte wahrscheinlich auch anders sein.«
Ich, das steinerne Haus, das man Kirche nennt, bin ein Ort außerhalb aller Orte [2].
[2] Den Bezug auf Foucaults Konzept der Heterotopien stellt Wolfgang Huber her; in: Wolfgang Huber, Kirche als Zeichen in der Zeit – Kulturelles Erbe und Sinnvermittlung für das 21. Jahrhundert, Vortrag beim 25. Evangelischen Kirchbautag in Stuttgart, 30. September 2005. Michel Foucault, Andere Räume, in: Aisthesis. Wahrnehmung heute oder Perspektiven einer anderen Ästhetik. Essais, Leipzig 1990, S. 39: »Orte außerhalb aller Orte, wiewohl sie tatsächlich geortet werden können«.
Ich, das steinerne Haus, das man Kirche nennt, bin ein Ort der Zusammenkunft, eine Heimat für alle Seelen [6].
[6] Ebd.: »Kirchen sind eine Heimat für alle Seelen, Raum zum Einkehren bei sich selbst...«.
Ich, das steinerne Haus, das man Kirche nennt, bin ein Ort für die Gemeinde – aber ich bin geräumig, ich habe noch Platz für etwas Anderes. [8]
[8] 2. EKD-Regel: »Kirchenumnutzung geht vor Kirchenverkauf.« Wolfgang Huber, Kirche als Zeichen in der Zeit: »Nicht zuletzt durch den Verkauf von frei werdenden Immobilien wie Gemeindehäusern oder Pfarrwohnungen sind vielleicht Mittel vorhanden, um das Gemeindeleben in die Kirche zu verlagern.«
Ich, das hölzerne Haus, das man Ideengenerator nennt, schaffe das, was sein könnte oder sollte oder müsste. [11]
[11] Robert Musil, Der Mann ohne Eigenschaften: »Hier könnte, sollte oder müßte geschehn...«
Ich, das steinerne Haus, das man Kirche nennt, bin ein Symbol für eine Nähe, so fern sie sein mag [3] – für Glaube, für Hoffnung, für Liebe. [4]
[3] Inversion der Benjamin’schen Aura-Definition: »Erscheinung einer Ferne, so nah sie auch sein mag«. Walter Benjamin, Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit, Frankfurt am Main 1977, S. 15. Die Aura von Kirchengebäuden nimmt in Hubers Text eine enorme Bedeutung ein: »Für mich ist die besondere Widmung der Kirchengebäude der Ausgangspunkt. Sie sind dadurch geheiligt, dass sie Ort des Gottesdienstes und des Gebets sind. Ihr Symbolwert ist so stark, dass ihnen selbst dann noch viel von der dadurch erzeugten Aura bleibt, wenn in ihnen nur noch selten oder im äußersten Fall gar nicht mehr Gottesdienst gefeiert wird.« (Hervorhebung nicht im Original.)
[4] Diesen Bezug stellt Huber her. 1 Kor 13,13 (Das Hohelied der Liebe): »Nun aber bleibt Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; aber die Liebe ist die größte unter ihnen«. Kirchen haben, so Huber, »zugleich einen hohen Symbolwert als weithin erkennbare Symbole des Weltkulturerbes Glaube, Hoffnung, Liebe«.
Ich, das steinerne Haus, das man Kirche nennt, bin ein Ort für das ganz Andere – aber nur, wenn es nicht anders geht und es verträglich und nicht beliebig ist. [9]
[9] 3. EKD-Regel: »Verträgliche Fremdnutzung der Kirchen geht vor beliebiger Fremdnutzung.« Wolfgang Huber, Kirche als Zeichen in der Zeit: »Schon bei der Frage einer Mischnutzung der Kirchenräume geht es um theologische Kriterien: bei jeder Veranstaltung, die in Kirchenräumen stattfinden soll, gibt es eine Art ‚gegenseitige Imageübertragung’, die nicht nur der Veranstaltung eine spezifische Würde verleiht, sondern umgekehrt auch der Kirche bestimmte ‚Images’ zurechnet.«